16. Oktober 2005, 29. Sonntag im Jahreskreis
Mt 22, 15-22 


Für mich, liebe Gemeinde, ist er einer der intelligentesten Sätze der Bibel, der Satz von Jesus: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“ (Mt 22, 21b)
 
Der Satz steht im Neuen Testament gleich drei Mal: im Matthäus-, Markus- und Lukas-Evangelium. Entsprechend wichtig scheint die Sache zu sein, um die es da geht, nämlich um die Frage der kaiserlichen Steuer. Die Pharisäer und die Anhänger des Königs Herodes wollen Jesus eine Falle stellen: „Ist es deiner Meinung nach erlaubt, dem Kaiser Steuern zu zahlen, oder nicht?“ Das war für fromme Juden im besetzten Palästina nicht so ohne weiteres klar, dem römischen Kaiser Steuern zu zahlen.
 
Und Jesus, dieser neue Gotteslehrer, was würde der wohl dazu sagen? - Als die Hinterlistigen seine Antwort hörten, heißt es, "waren sie sehr überrascht, wandten sich um und gingen weg". War halt geschickt gekontert. Jedenfalls lieferte ihnen Jesus nicht die gewünschte Angriffsfläche. Und heute?
 
Damals wie heute steckt in der Antwort Jesu eine raffinierte Botschaft. Kein Aufruf zum Umsturz, aber eine klare Unterscheidung von Zuständigkeiten. „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört!" Den weltlichen Autoritäten, denen, die Macht haben im Volk - und sie hoffentlich auch im Sinne des Volkes ausüben - denen gehört ein gewisses Maß an Zuwendung. Menschlich - und eben auch finanziell. Was sie für uns tun, das sollen wir ihnen in entsprechender Münze ‚heimzahlen’. Die Münze im Evangelium trägt das Bild und die Aufschrift des Kaisers. Also: Wo „Kaiser“ drauf steht oder heute „Vater Staat“ oder „EU“, da muss es auch hin: in den Kreislauf von staatlicher Leistung und steuerlicher Gegenleistung.
 
Bei Gott ist das anders. Mit ihm ist kein Staat zu machen. „Gebt Gott, was Gott gehört!“ - das funktioniert eben nicht nach Wert und Gegenwert, Leistung und Gegenleistung. Und Münzen taugen da schon gar nicht. Denn wo „Gott“ drauf steht, das sind die Millionen und Abermillionen von Menschen. Ihre Gesichter tragen das Bild Gottes und seine Aufschrift: Du bist unverwechselbar und einmalig. Nicht das Werk eines Pfennigfuchsers oder Geldeintreibers. Dein Antlitz und deine Würde sind mit Geld nicht aufzuwiegen. - Das ist die Währung Gottes. Und ihr Vorteil, das ist ihre Stabilität. Egal was ich erreiche, leiste, schaffe, bei Gott ist es bereits in Anerkennung eingetauscht. Bei ihm muss ich nichts einzahlen, um mit Gewinn was raus zu bekommen. Gott geben, was Gott gehört, kann ich nur mit meinem Leben selbst. Also mit dem Teuersten, was ich geben kann. Mich selbst.
 
Von mir absehen und abgeben, mich selbst einsetzen für Gott? - Ja, wieso soll ich das, wenn ich nicht weiß, was dabei raus springt für mich? Verlangt Gott am Ende nicht doch mehr als ein Kaiser, dem man zwar Steuern zahlt, einen dann aber in Ruhe lässt? Der hat seins, und ich hab meins. Da stimmt die Rechnung.
 
Mit Gott rechnen geht offenbar anders. Er lässt sich nicht in Heller und Pfennig ausdrücken oder sonstwie ummünzen. Gott hat was Unberechenbares. Da kannst du dir nichts ausrechnen. Materiell gesehen lohnt Gott sich nicht.
 
Deshalb gebt gefälligst dem Kaiser das Geld und Gott euer Herz, lautet die Botschaft Jesu. Nicht umgekehrt! Hängt euer Herz nicht an Kaiser und Könige, Stars und Sternchen oder an das liebe Geld, sondern an den, der euer Leben ist, der es Tag und Nacht werden lässt und euch in Atem hält. Was ich Gott gebe, das hab ich längst vorher von ihm empfangen. Nicht mit halber Münze, sondern mit ganzer. Auch das gehört zur Währung Gottes. Mach keine halben Sachen! Gib dich ganz - wie du bist! Lebe als Ganzer, lebe ungeteilt vor Gott! Faule Kompromisse hast du nicht nötig. Es geht hier nicht um eine moralische Aussage. Also nicht: Von jetzt an solltest du ganz und gar keine Fehler mehr machen oder keine Schwächen mehr zeigen. Mit gleicher Münze heimzahlen - in der Währung Gottes - heißt: Sei du vor mir mit allem, was du bist: mit deinen Stärken, deinen Sorgen, mit deinem Glauben, vor allem aber mit deinen Schwächen. Zeige dich vor mir auch mit dem, was du anderswo verborgen halten musst, mit deinen Abgründen, dem, was noch lange nicht verarbeitet ist. Versteck dich nicht länger. Riskier einen Wechsel auf meine Zuneigung. Wenn du das riskierst, alles einsetzt, erhältst du es, erhältst du dich verwandelt wieder. Hast du hier und jetzt schon ein großes Stück vom Himmel.
 
Ludger Verst, Diakon