1. September 2012, 22. Sonntag im Jahreskreis
Mk 7
Liebe Schwestern und Brüder!
Stellen Sie sich das mal vor: Da kommen einige Pharisäer, also besonders gesetzestreue Juden, extra aus Jerusalem, nur um einmal diesem Jesus zuzuhören. Als sie sich nun bei Jesus aufhalten, da fällt ihnen auf, dass einige seiner Jünger sich nicht an die jüdischen Reinheitsgebote halten. Sie essen mit ungewaschenen Händen. Sie fragen:
„Warum halten sich deine Jünger nicht an die Überlieferung der Alten?“
Jesus weist ihre Anfrage schroff zurück:
„Nicht, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein“.
Eine merkwürdige Antwort, die den Pharisäern sicher einiges Kopfzerbrechen bereitet hat. Wenn auch uns nicht gleich klar ist, was Jesus damit meint, brauchen wir uns nicht zu wundern: Wir befinden uns in guter Gesellschaft. Auch die Jünger Jesu verstehen dieses Rätselwort nicht. Das erfahren wir aber nicht in dem kleinen Ausschnitt, den wir heute als Evangelium gehört haben. Wer zu Hause zur Bibel greift und bei Mk 7 nachliest, findet dort auch die folgenden Verse:
„17Er verließ die Menge und ging in ein Haus. Da fragten ihn seine Jünger nach dem Sinn dieses rätselhaften Wortes. 18Er antwortete ihnen: Begreift auch ihr nicht? Seht auch ihr nicht ein, dass das, was von außen in den Menschen hineinkommt, ihn nicht unrein machen kann? 19Denn es gelangt ja nicht in sein Herz, sondern in den Magen und wird ausgeschieden.“
Um besser zu verstehen, was Jesus damit meint, hilft es vielleicht, die beiden zentralen Begriffe unseres Evangeliums genauer zu betrachten: Herz und Reinheit.
Zunächst also zum Herzen.
„Herz“ ist der zentrale Begriff im biblischen Sprachgebrauch, wenn es um die Anthropologie, also um das Sprechen vom Menschen geht. Das Herz ist dabei nicht nur der Sitz des Gefühls, sondern vielmehr noch der Vernunft. So bündeln sich im Herzen Wunsch und Willen des Menschen. Das Herz ist auch der Ort der Beziehung des Menschen zu seinen Mitmenschen und zu Gott. Sichtbar wird das an der berühmten Erzählung über König Salomo, der nachts im Traum von Gott einen Wunsch freigestellt bekommt. Er wünscht sich ein hörendes Herz. Ein Herz also, das offen, aufnahmefähig, letztlich beziehungsfähig ist. Sprichworte wie „wo bist du mit dem Herzen“, oder, frei nach Martin Luther „woran jemand sein Herz hängt, das ist sein Gott“ verdeutlichen uns diesen Aspekt. Wenn Jesus vom Herzen redet, dann zielt das nicht auf fromme Gefühle ab, sondern auf den ganzen Menschen, mit allem was ihn ausmacht.
Der zweite Begriff, der uns einen Zugang zum heutigen Evangelium verschaffen kann, ist der Begriff der „Reinheit“. Auch hier müssen wir, um Jesus besser zu verstehen, unseren alltagssprachlichen Gebrauch des Wortes ein Wenig erweitern. Die Reinheit einer Sache oder einer Person entscheidet sich für Jesus nicht an ihrem äußeren Zustand und Glanz. Rein ist vielmehr, was unvermischt und ungeteilt ist, man könnte auch sagen: was in sich stimmig, ganz und heil ist. Reinheit entscheidet sich für Jesus im Inneren des Menschen. Wenn man Reinheit so versteht, wird auch klar, warum sie im kultischen Sprachgebrauch so eine Rolle eingenommen hat. Ganz rein muss der Mensch sein für die Begegnung mit Gott. äußere Reinigungsrituale können dabei diese innere Reinheit zwar anschaulich machen. Aber, und da setzt Jesu Kritik an, bei solchen äußerlichen Formen darf man nicht stehen bleiben!
Jesus geht es in unserem Evangelium um ein reines Herz und damit letztlich um die Gottesbeziehung des Menschen. Um die Kommunikationsfähigkeit mit seinem Schöpfer. Man könnte auch sagen: Um das „ganz-bei-Gott-sein“, den Eintritt in die Königsherrschaft Gottes, zu der Jesus die Menschen eingeladen hat.
Als ich ein kleines Kind war, haben meine Eltern mit mir manchmal ein kurzes Gebet gesprochen, das einige von Ihnen vielleicht auch kennen.
„Ich bin klein, mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein.“
Was klingt wie ein naiver Kinderreim beinhaltet ein tiefes Wissen um diese wichtigste Voraussetzung einer lebendigen Gottesbeziehung: Die ungeteilte, reine Offenheit meiner ganzen Person für das Gegenüber, zu dem ich bete. Für Gott, der der Quell meines Lebens ist.
Wir können genauso mit den Worten des Beters von Ps 51 sprechen:
„12Erschaffe mir, Gott ein reines Herz
Und gib mir einen neuen, beständigen Geist“
Wie kann diese Bitte erfüllt werden? Wie bekomme ich nun ein reines Herz? Und vor allem: Was muss ich dafür tun? Die Antwort, die Jesus uns (wenngleich zwischen den Zeilen versteckt) gibt, ist denkbar einfach: Nichts!
Jesus zählt zwar einige Dinge auf, die den Menschen nicht unrein machen können (nämlich die, die von außen in ihn hinein kommen). Und am Schluss des Textes weist er auf Gefahren aus dem Inneren des Menschen hin, die ihn unrein machen, weil sie die Beziehungen zu Gott und den Mitmenschen abbrechen lassen. Jesus nennt in seinem ausführlichen Lasterkatalog beispielsweise böse Gedanken, Hinterlist, Ausschweifung oder Neid als solche Gefahren für den Menschen.
Es geht dabei aber immer nur um das Unreinwerden. Die Reinheit ist dabei offenkundig der Ausgangszustand. Mit einem reinen Herzen, also fähig zur Beziehung mit ihm, hat Gott uns ausgestattet. Zu seiner Schöpfung und zu seinem Menschen hat er das Prädikat „Sehr Gut“ gesprochen.
Für uns geht es darum, uns diese Reinheit, diese Ungeteiltheit des Herzens, die der Schlüssel ist zu einer guten und gesunden Beziehung zu Gott, zu unseren Mitmenschen und auch zu uns selbst, zu bewahren.
Liebe Schwestern und Brüder! Wenn ich Ihnen heute ein Glaubenszeugnis geben darf, dann möchte ich meine Gedanken auch noch in ein knappes Zeugnis fassen: Ich glaube an einen Gott, der mich gut geschaffen hat. Ich glaube an einen Gott, dem ich wirklich begegnen kann, der mir nah ist, der mir ein reines, zur Liebe fähiges Herz geschenkt hat. Ich glaube, dass ich mit diesem Wissen um seine Nähe wirklich ein gutes, zumindest ein besseres Leben führen kann. Amen.
Klarissa Schütz