08. April 2004, Gründonnerstag


Liebe Gemeinde!

In jeder Eucharistiefeier hören wir nach der Wandlung die Worte: "Geheimnis des Glaubens!" Sie sind gesprochen über die Gaben von Brot und Wein, die die Gegenwart Jesu Christi in der Eucharistie bezeichnen.
Geheimnis des Glaubens: Mit diesen Worten bringen wir zum Ausdruck: Uns ist etwas geschenkt, was wir im Glauben bekennen, aber es ist dennoch unserem Zugriff entzogen. "Geheimnis" – mit diesem Wort meinen wir nicht einen rätselhaften Sachverhalt, sondern dass wir der Wahrheit dessen, was ausgesagt ist, nur im Glauben wirklich gerecht werden.
Wenn wir heute Abend Eucharistie feiern, stellen wir – wie bei jeder Eucharistiefeier - in die Tradition, aus der auch Jesus gelebt hat. Er hat am letzten Abend seines Lebens, dessen wir heute und in jeder Messe gedenken - Pesach gefeiert. Das ist die Erinnerung der gläubigen Juden an den Auszug aus der Knechtschaft Ägyptens. Israel weiß und lebt davon: Gott hat uns in der Knechtschaft gesehen. Und er hat uns durch die Hand des Mose aus dieser Knechtschaft befreit. Jahr für Jahr wird das gefeiert. Diese Feier ist aber keine Erinnerung an ein nur vergangenes Geschehen. Jeder gläubige Jude weiß, dass diese Feier für ihn selber Bedeutung hat. Er ist sich selber ein Befreiter, der von Gott aus Ägypten gerufen ist.
Diese Feier, Pesach, hat Jesus am letzten Abend seines Lebens mit den Seinen begangen.
Wenn wir im Evangelium die Worte hören, die uns aus dieser Feier überliefert sind, dass Jesus über Brot und Wein gesagt hat: "Mein Leib! Mein Blut!", wird damit der Glaube zum Ausdruck gebracht: Der Weg in die Freiheit der Kinder Gottes ist in Jesus von Neuem sichtbar geworden. Er begleitet uns auf diesem Weg. Sein Leben zeigt uns, wie dieser Weg aussehen kann. Ja, noch mehr: Er ist selber dieser Weg in die Freiheit der Kinder Gottes geworden. Er ist selber der Weg zu Gott geworden!
Geheimnis des Glaubens: Diese Wahrheit ist nur im Glauben zu erfassen.
Aber sie muß auch so ausgesagt werden können, dass auch ein fragender Verstand verstehen kann, was gemeint ist.
"Mein Leib! Mein Blut!" – Diese Worte meinen nicht, dass hier Zauberei geschieht. Nein, chemisch, physikalisch verändert sich nichts. Was wäre das auch für ein Glaube, der durch die Chemie zu ersetzen wäre!
Uns ist ein Zeichen geschenkt – ein Zeichen besonderer Art. Normalerweise haben wir ein Zeichen und der Gegenstand, von dem das Zeichen spricht, ist an einer anderen Stelle. Da ist ein Achtungszeichen und die Kreuzung, auf die das Zeichen verweist, ist 100 m weiter. Aber es gibt auch Zeichen, die unmittelbar sichtbar machen, wovon sie sprechen. Eine Rose z.B., von einem liebenden Menschen geschenkt, ist weit mehr als irgendeine beliebige Blume. Ein JA – Wort aus der Liebe macht die Liebe selber deutlich, von der sie spricht. Ein Kuß macht die Liebe, die Zuwendung deutlich – auch ohne Worte.
So können wir sagen, dass die Eucharistie das Zeichen der Gegenwart Gottes in Jesus Christus ist. In Brot und Wein, die Gaben, die die glaubende Gemeinde in der Erinnerung an Christus empfängt und austeilt, wird die Wahrheit des Wortes Jesu Christi sichtbar: Ich bin bei euch. Ich bin für euch da. Diese Gegenwart ist nicht nur eine Erinnerung an vergangene Zeiten, wo die Jünger die Gegenwart Jesu erfahren haben. Wir dürfen darauf vertrauen, dass dieses Wort auch heute gilt, dass er heute für uns da ist, dass er hier mit uns ist. Wenn wir in seinem Geist versammelt sind, feiern wir ihn und seine Gegenwart. Dafür sind uns die Gaben von Brot und Wein bleibendes Zeugnis.
Wir verbinden diese Feier heute mit der Erinnerung an die Fußwaschung. Beides, Brot und Wein und die Fußwaschung zeigen uns, dass der Tod Jesu Hin – Gabe ist.
Mein Leib! Mein Blut – für euch! Diese Worte zeigen uns, dass sein ganzes Leben bestimmt war vom "Dasein für!"
Er wollte dasein für die Seinen bis zur Hingabe seiner Selbst, bis in den Tod, ja über den Tod hinaus.
Und es ist Sinn dieses Vermächtnisses, dass die, die das Brot des Herrenmahles empfangen und sich so mit ihm und seinem Leben verbinden, dass sie auch seine Lebenshaltung übernehmen: das "Dasein für".
So würden wir seine Hingabe für uns feiern – und aus ihr selber lernen, immer mehr Mensch zu sein:
Den anderen nicht mehr als Konkurrenten ausschalten, sondern umgekehrt vom anderen her leben, von ihm her denken, sich in hin hinein fühlen, seine Nöte, Bedürfnisse, seine Ängste wahrnehmen.
So werden wir umgestaltet durch das, was wir feiern, in das, was uns geschenkt wird: Leib Christi, Gegenwart Gottes in dieser Welt.

Amen.

Harald Fischer