Mt. 1,18 –24

Liebe Gemeinde!

Josef – ein Mann, der plötzlich sein Leben nicht mehr versteht. So geht das manchmal: alles war in einer bestimmten Weise geplant und erwartet und dann kommt alles auf einmal ganz anders.

Natürlich schaut Josef auf sein Leben auf seine  Lebensplanung, mit seinen eigenen Augen.

Hätte ihn jemand gefragt: Josef, bist du bereit, mit deinem Leben Gott zu dienen? Bist du bereit, für ihn da zu sein, dich ihm zur Verfügung zu stellen? Vermutlich hätte er begeistert „Ja“ gesagt.

Im Evangelium heißt es: Er war ein Gerechter. Das bedeutet, dass er ein Mensch war, der die Glaubenstradition seines Volkes ernst genommen hat; dass er, wie alle anderen, sein Leben nach den Geboten Gottes, nach Gott selber ausgerichtet hat; dass er ein frommer Jude war.

Sicher hatte er gedacht,  dass er sich Gott gern zur Verfügung stellt. Aber es ist oft schwer, das, was man im Kopf vielleicht klar hat, auch praktisch und konkret werden zu lassen.

Und es ist nicht einfach im eigenen Leben zu erkennen: Wie, womit könnte ich denn Gott dienen.

Oft sind es dann natürlich unsere eigenen Vorstellungen, die wir umsetzen wollen, dass, was wir uns selber denken, was wir für richtig und wichtig halten.

Dieses Thema begegnet uns in der 1. Lesung des heutigen Sonntags.

Zunächst klingt es ja sehr edel, wenn der König von Jerusalem, wenn König Ahas auf das Angebot des Propheten Jesaja: „Erbitte dir von Gott ein Zeichen!“ nicht eingeht und sagt: „Ich will nicht! Ich will meinen Gott nicht auf die Probe stellen!“

Man könnte das als ein Zeichen bedingungslosen Glaubens verstehen: Ich verlasse mich einfach auf Gott.

Wir kennen das vermutlich oft anders: Wie schön wäre es, wenn ich ganz eindeutig wüßte, was Gott von mir will; wenn ich äußere objektive Zeichen und Beweise hätte. Dann wäre alles viel einfacher. Ich wüßte, welche Richtung ich meinem Leben geben sollte und hätte eine klare Orientierung.

Aber die scheinbare Großmut von König Ahas hat einen ganz anderen Hintergrund: Er will seine eigenen Pläne nicht durchkreuzen lassen. Er hat schon seine Vorstellungen, er hat seine eigenen politischen Ideen. Er weiß eigentlich selber, was er will.

Und die Frage nach Gottes Willen, schon allein die Frage danach könnte seine Pläne durcheinander bringen. Vor fast 2800 Jahren – das ist die Zeit des Königs Ahas und des Propheten Jesaja – waren die Verdrängungsmechanismen im Grunde die gleichen wie heute. Es ist praktisch, die eigenen Ideen als Gottes Wille auszugeben.

In die gleiche Auseinandersetzung war auch Josef gestellt. Gott dienen: grundsätzlich und im Allgemeinen – ja, dazu bin ich gern bereit.

Aber wenn dann die eigenen Lebensvorstellungen sich so anders entwickeln, wie wir es denken und wünschen, sehen wir das oft nur als Katastrophe – und nicht als Chance.

Wie wird Josef sich in diesem Konflikt entscheiden?

Oft sind wir an den Ereignissen unseres Lebens zu nahe dran, als dass wir erkennen könnten, dass in ihnen nicht nur ein Scheitern sondern auch noch verborgene Chancen liegen könnten. Gott wirkt Heil in unserem Leben, kein Unheil. Aber das ist nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen.

Wie aber können wir die Geister unterscheiden? Wie können wir erkennen, was unser eigenmächtiger Wille, was unser Weg ist oder wo wir wirklich Gott Raum geben in unserem Leben und so sich auch Unverhofftes, Ungeplantes, Neues zeigen kann?

Zunächst einmal: Josef läßt es überhaupt erst mal zu, dass nicht seine eigenen Vorstellungen, seine eigenen Pläne Maßstäbe allen Handelns ein müssen. Er läßt sich darauf ein, die Ereignisse seines Lebens nach einer tieferen Bedeutung zu befragen. Er nimmt – im Bild gesprochen - Abstand von sich, vom unmittelbaren Leben, von seinen eigenen Deutungsmustern und Vorstellungen.

Das ist zum einen im Evangelium im Bild des Traumes zum Ausdruck gebracht.

Der Traum steht dafür, eine tiefere Dimension des eigenen Lebens in den Blick zu nehmen. Im Traum ist die Schwelle des Bewußtseins, des eigenen Wollens und Planens „herabgesetzt“. Im Traum kann eine andere Dimension des Lebens wahrgenommen werden, etwas, was mich übersteigt. Ich kann auf eine Wirklichkeit gestoßen werden, die mir, die meinem eigenen Bewußtsein sonst nicht zugänglich ist.

Josef begegnet uns als der große Träumer der Bibel. In diesen Träumen begegnet ihm mehr, als seine eigene Welt. Sie werden Bild für seine Offenheit auf Gott.

Und Josef begegnet Helfer. Die Bibel nennt diese Helfer: Engel.

Engel, das sind Boten, die helfen, das Leben so zu verstehen, das es als Weg zu Gott erkennbar wird.  Josef erlebt, dass seine eigenen durchkreuzten Lebensvorstellungen für ihn ein Weg zu Gott werden.

Ja, hier in unserer Erzählung geht es noch um mehr: seine durchkreuzten Lebensvorstellungen erkennt er als Weg Gottes zu ihm, als Weg Gottes in diese Welt.

Denn darum geht es im Evangelium, wenn von der Jungfrauengeburt Mariens gesprochen wird: nicht um platte, billige Anatomie oder Biologie. Es geht darum zu erkennen: Gott kommt zu uns. Seine Botschaft, sein Heil ist uns geschenkt, ist sozusagen von ihm gezeugt. Das soll mit der „Jungfrau Maria“ ausgesagt werden und das ist es, was Josef – und auch wir mit ihm – verstehen muß.

Gott schenkt  sich uns. Wir „verdienen“ ihn nicht. Wir zeugen ihn nicht.

So vieles in unserer Welt ist Frucht unserer Mühe und Arbeit. Das ist auch gut so. Wir gestalten unser Leben. Aber das entscheidende ist uns geschenkt.

Unser Glaubensleben, unser Bemühen um den Glauben besteht in nichts anderem, als dieses Geschenk Gottes in unserem Leben zu entdecken, immer und immer wieder. In all den Verästelungen unseres Lebens hinein. Manchmal geschieht diese Entdeckung auch, indem unsere Pläne durchkreuzt werden – weil wir uns damit öffnen und nach einem neuen Verständnis unseres eigenen Lebens suchen müssen.

König Ahas war das fast 800 Jahre vorher angekündigt und angeboten worden. Das war die Botschaft des Propheten Jesaja: Nicht von euren politischen Überlegungen und Ränkespielen kommt das Heil in diese Welt. Gott schenkt sich. Gott schenkt sich auf eine Weise, die ihr euch nicht vorstellen und die ihr nicht machen könnt. Gott schenkt sich in einem Kind. Sein Name: Immanuel – das heißt: „Gott ist mit uns!“ 

Dieser Verheißung konnte Ahas nicht vertrauen. Er hat auf seine eigene Weise Heil schaffen wollen. Und er ist dadurch untergegangen.

Josef hat sich auf diese Botschaft eingelassen. Er hat einen Sinn in den Ereignissen und Enttäuschungen seines Lebens gesucht. Und diese Suche führt ihn schließlich über seine gewohnten Denkbahnen und vertrauten Traditionen hinaus. Darin ist er uns Vorbild. In einer gewissen Weise sind wir alle Josef, oder richtiger: sind wir alle wie Josef.

In der Trauer und der Enttäuschung über Mißlungenes und in der Offenheit, diese Erfahrungen neu zu deuten, können wir, wie er, dahin kommen die Gegenwart Gottes in unserem Leben zu erkennen, neu zu erkennen.

Vielleicht können wir, wie er, sogar dahin kommen, gerade darin neu die Zusage Gottes zu erkennen und zu verstehen: Trotz allem und in allem -  Gott ist der Immanuel, der „Gott mit uns“.

Harald Fischer