15. Juni 2006, Fronleichnam 2006
 
 
Liebe Gemeinde!
 
Es ist etwas wunderbares, was wir feiern:
 
Sonntags in unseren Kirchen, heute hier auf dem Königsplatz inmitten unserer Stadt.
 
Wir feiern Eucharistie - das Zeichen der Gegenwart Gottes in einem Menschen, der ganz aus Gottes Liebe gelebt hat und der diese Liebe in dieser Welt sichtbar gemacht hat.
 
Wir feiern die Liebe, die Jesus von Nazareth gezeigt hat und rufen uns so diese Grundwahrheit unseres Glaubens neu in Erinnerung, um von ihr gestärkt zu werden.
 
Es ist die absichtslose Liebe eines Menschen, der sein Leben ganz für andere gelebt hat und darin seine Erfüllung gefunden hat.
 
Da - mein Leib für euch. Mein Blut für euch.
 
Das sind die zentralen Worte jeder Eucharistiefeier.
 
Es sind keine magischen Formeln, mit denen wir Zauberei betreiben und einen unverständlichen Humbug einleiten. Diese Worte zeigen die Grundhaltung Jesu und seines Lebens:
 
Ich, mein ganzes Leben - aus Liebe auf euch ausgerichtet.
 
Liebe - die große Sehnsucht im Leben der Menschen.
 
Wie gut, wenn wir sie erleben können. Aber oft genug erfahren wir auch, wie verletzlich und vergänglich die Liebe ist, die wir ersehnen und von der wir leben möchten. Wir erfahren so schnell, wie leicht sie gekränkt ist - weil Erwartungen nicht erfüllt werden, weil sie sich nicht verstanden sieht, zurückgewiesen wird, weil sie abflaut, vergessen, verraten wird.
 
In der Eucharistie zeigt sich eine absichtslose Liebe - eine Liebe, die gibt, ohne etwas für sich zu erwarten. Sie will nicht einmal eine Schar frommer Anbeter oder freudiger Gottesliebhaber. Sie schenkt sich nur - ohne Bedingung, als freie, ungeschuldete Liebe.
 
Das eucharistische Mahl ist die Fortsetzung der Mahlgemeinschaften, zu denen Jesus immer wieder eingeladen hat. Seine Gäste waren unfertige Menschen, oft genug am Leben leidende, manchmal gebrochene, zerbrochene Menschen, die den eigenen Erwartungen oder denen der anderen nicht gerecht werden konnten.
 
Die Bibel nennt sie Sünder, Zöllner, Ausgestoßene, Kranke, Arme...
 
Die Mahlgemeinschaften mit genau diesen Menschen vom Rand der Gesellschaft waren wichtige Zeichen, durch die Jesus etwas von Gott zeigen wollte, von dem Gott, der seine ganze Leidenschaft war.
 
In den Mahlgemeinschaft, zu denen Jesus eingeladen hatte, ging es nicht nur um Jesu eigene Liebe zu den Menschen, sondern um die Gabe Gottes,
 
um dessen bedingungslose Liebe, von der Jesus ganz und gar durchdrungen ist, so sehr, so restlos, dass wir ihn Gottes Sohn nennen und dass wir im Blick auf ihn sagen können: Jetzt wissen wir, wie Gott ist - absichtslose Liebe.
 
Die Mahlgemeinschaften, zu denen Jesus eingeladen hat, sind Zeichen dafür, Mahlgemeinschaften, zu denen die sonderbarsten Menschen willkommen waren.
 
Selbst zu dem Mahl, dem letzten seines Lebens, dem Mahl, dessen wir heute gedenken, waren auch die eingeladen, die wenige Stunden später schwörten und fluchten, ihn nicht zu kennen, die ihn verrieten, ihn im Stich gelassen haben und an den Galgen auslieferten.
 
Sie alle waren eingeladen und sind darum Zeichen des angebrochenen Reich Gottes geworden, ein Zeichen dafür, dass Gott sich allen Menschen zuwendet.
 
Deshalb dürfen wir es wagen, heute hier zu stehen. Oft genug sind wir ja auch „absonderliche“ Menschen, nicht besser als Petrus oder Judas.
 
Aber wie sie sind wir eingeladen, teilzuhaben an diesem Mahl und wie sie werden wir gerade darum Zeichen für das angebrochene Reich Gottes, dass sich nicht an den „verdienten“ Menschen zeigt, sondern daran, wie Gott seine Liebe schenkt.
 
Jemand hat das einmal so ausgedrückt:
Der Lehrer sagt: Der taugt nichts.
Die Eltern sagen: Der kann nichts.
Der Pfarrer sagt: Der ist verdorben.
Die Kollegen sagen: Auf den ist kein Verlass.
Die Freunde sagen: Der ist ein Spinner.
Die Umgebung sagt: Der ist verrückt. Hopfen und Malz verdorben.
Gott sagt: Du bist mir ähnlich.
 
Diese Worte verdeutlichen, was Jesus gelebt hat: Die Einladung zur Mahlgemeinschaft, in der sich Gott selber schenken will, gilt allen Menschen!
 
Dafür stehen wir heute hier.
 
In dem Brot, dass wir feierlich erheben, dass wir teilen, dass wir zeigen, feiern wir: Gott selber, seine absichtslose Liebe, schenkt sich der Welt und von ihr leben die Menschen, oft genug auch, ohne es selber zu wissen.
 
Gut, dass Papst Johannes Paul II in seiner großen Enzyklika über die Eucharistie selber noch einmal darauf hingewiesen hat: dieses große Zeichen der Liebe Gottes hat Bedeutung für alle Glaubenden.
 
Wir sind leider noch nicht so weit, die eucharistische Gemeinschaft ohne Unterschied mit glaubenden katholischen und evangelischen Christen gemeinsam zu feiern und zu empfangen. Trotzdem  darf doch dem einzelnen evangelischen Christen, der - wie der Papst es in der Enzyklika formuliert - „mit einem schwerwiegenden geistlichem Bedürfnis“ (Ecclesia de eucharistia Nr. 45) das Verlangen hat, die Eucharistie zu empfangen und in ihr glaubend die Gegenwart der Liebe Gottes erkennt, diese nicht verweigert werden.
 
Gottes Liebe ist universal - und nicht an eine Kirche gebunden, nicht einmal an die katholische.
 
Ich für euch - das ist Zusage für uns, für die Welt, in unsere Welt hinein.
 
In dieser Feier stärken wir uns - als Einzelne und als Gemeinden - und erinnern uns, dass wir gemeint sind: Empfänger einer absichtslosen Liebe, die sich in unserem Leben, in unserem Alltag zeigt und die von uns in diese Welt getragen werden will.
 
Kinder unserer Stadt haben Bilder gemalt - aus unserer Welt,
- der Welt, wie sie die Bibel beschreibt,
- wie wir sie in unserem Alltag erleben,
- wie sie sich in unseren Gemeinden darstellt.
 
Wenn wir gleich Brot und Wein nach vorn tragen und wieder die Worte sprechen, die Jesus am letzten Abend seines Lebens gesprochen hat, werden die Kinder auch ihre Bilder nach vorn tragen. Damit wird sichtbar:
- Brot und Wein werden gewandelt und zeigen uns so, dass Jesus die absichtslose Liebe Gottes ist von der wir leben können.
- Wir werden verwandelt, unsere Welt wird verwandelt und lebt nicht mehr als vergängliche, angstgepeinigte, todgeweihte Kreatur sondern
- in uns
- in unserer Stadt
- in der ganzen Welt
spiegelt sich Gottes Herrlichkeit.
 
Grund genug, dass wir unsere Freude darüber auch heute hier in der Stadt zeigen.
 
Amen
 
Harald Fischer